Wolfskinder Wanderung Teil 4

Am Sonntag, den 9.1.2022 ging es für mich mit dem Frühzug von Dresden nach Berlin. So langsam bekomme ich Routine auf dieser Zugverbindung. Ich bin bis Postdam gefahren, denn das Schloss Sacrow war mein Startpunkt. Auf den letzten Bus-Kilometern gab es nochmal Aufregung, da die Aufschriften an den Haltestellen geändert waren.

Am Schloss Sacrow ging es um 11:00 Uhr los. Langsam wollte ich wandern, um die Knie zu schonen. Gedenksteintechnisch war es sehr ruhig. Ich schaute öfters auf mein Garmin Oregon, ob ich wirklich auf dem historischen Mauerweg war. Die Gegend fühlte sich so unwirklich an. Mal ein Wohngebiet, dann ein Waldstück oder ein Stück Acker. Hier soll früher die Grenze zwischen Ost und West gewesen sein? Dann eine Gedenktafel einer geglückten Flucht. Erfindungsreichtum und Mut waren gefragt, wenn man eine Taucherausrüstung aus den vorhandenen Materialien bauen wollte. Am Schloss Sanssouci bin ich ebenso vorbei gekommen. Was mir bis dahin nicht bewusst war, hier war damals Grenzgebiet! Als Jugendlicher war ich mal hier, von der Grenze spürte ich da nichts. Gegessen habe ich an diesem Tag irgendwie mehr. Vielleicht weil ich es in meinen Jackentaschen und nicht im Rucksack verstaut hatte. Ich sehe es nicht als selbstverständlich an, zu essen und zu trinken wann immer man möchte. Das gab es jener Zeit nicht. Die Temperaturen des Tages waren kühl, aber nicht so kalt wie angesagt. Die Stunden zogen sich übers Land. Doch eh man sich versah, war es schon wieder dunkel. Ich musste nicht im Kerzenschein wandern. Dafür hatte ich mir eine elektrische Variante mitgenommen. Um nicht ins Visier eines Jägers zu geraten, hatte ich mir entsprechende Leuchtstreifen für die Kleidung besorgt. Berlin kam unaufhörlich näher. Dann sah ich einen Gedenkpunkt. Hier wurde über vier NVA-Soldaten berichtet. Zwei wollten flüchten. Dabei kamen auf beiden Seiten je ein Soldat ums Leben. Kurz vor dem Ende dieser Wanderung kam ich am ehemaligen Grenzübergang Drewitz an der Autobahn vorbei. Schon gespenstisch. Bis November 1989 war für mich hier Schluss, nun kann ich einfach weiter gehen. Meinen Zielpunkt in Berlin-Teltow erreichte ich gegen 18.00 Uhr. Da blieb noch genügend Zeit, den Zug in die Heimat zu erreichen. Nach dem Sommer plane ich die restlichen 60 Kilometer abzuwandern. In Gedanken war ich immer wieder bei den Schicksalen der Wolfskinder. Diese haben unter widrigen Umständen andere Distanzen zurück gelegt.