Endlich war der Termin für den letzten Teil meiner Wolfskinder-Gedenkwanderung da. Bei der Anreise erste Probleme. Die Deutsche Bahn ließ meinen Zug ausfallen. So war ich mit dem folgenden IC in Berlin erst eine Stunde später da. Die nächste Herausforderung war, mit dem richtigen Bus zum richtigen Startpunkt zu gelangen. Hier kam es zu Fehlern. Nachdem ich das 2. Mal falsch ausgestiegen bin und immer noch etwas weiter von meinem geplanten Startpunkt war, beschloss ich, trotzdem loszuwandern. 20 km standen ursprünglich auf dem Plan und nun 34,4 km. Kurz überlegt und die Ankunftszeit am Zielort gecheckt: 18:30 Uhr war meine angedachte Zielzeit im Eisstadion Berlin-Wedding. Das könnte ich zeitlich schaffen. Somit stand der Verlängerung nichts entgegen. Kurz nach halb elf ging es los. Nach 15 Minuten wurde mir etwas kalt, schnell den Reservepullover angezogen. Die Luft war herrlich und die Umgebung ging so. Ich war erschrocken, dass auf diesem Teil des Mauerwegs fast nichts an die damalige Geschichte erinnerte. Die Umgebung hatte die Geschichte quasi verschluckt. Neubauten und ganze Wohnsiedlungen wurden ringsum gebaut. Die ersten Mauerkreuze kamen. Traurig und erschreckend von den einzelnen Schicksalen zu lesen. Daher darf so etwas nie wieder geschehen. Die Zeit ging langsam ins Land. Dank meines Garmin Oregon kam ich gut voran. Ja, die Technik – gerne würde ich daher auch mal ohne Unterstützung längerfristig in Ostpreußen wandern, um noch näher an die Geschichte / Schicksale der Wolfskinder heranzukommen. Heute blieb mir der letzte Teil des Mauerweges. Vereinzelte Passagen kannte ich vom Mauerweglauf der Berliner Sportfreunde. Dabei rennt man ja aber an diesen Tafeln quasi vorbei. Bei der Wanderung hat man die Zeit, genau diese geschichtlichen Tafeln zu studieren. Überwiegend fand ich die Texte gut. Bedächtig ging es nach einem zweiten Frühstück, wie immer alles aus dem Rucksack, weiter. Mein Blick ging immer wieder nach links und rechts. Hier soll früher mal Schluss gewesen sein. Und Soldaten sollen auf große und kleine Menschen geschossen haben? Für mich war ja auch bis 1989 symbolisch gesehen am S-Bahnhof Berlin Friedrichstraße Schluss. Daher hat die Mauer mit ihrem Weg immer noch eine gewisse Anziehungskraft. Gut fand ich die Passagen, an denen Kopfsteinpflasterketten auf dem Boden an den Verlauf der Mauer erinnerten. Dann kam ich an eine Gedenktafel für 2 getötete Kinder. Das Denkmal wurde dem traurigen Anlass mehr als gerecht. Am Nachmittag kam ich auf einer gefühlten kilometerlangen Piste in einen mentalen Tunnel. Aber groß rumjammern geht ja nicht. Denn die Wolfskinder sind ja früher länger und mit schwierigeren Faktoren unterwegs gewesen. Und ich jammere wegen der paar Kilometer? Also Zähne zusammengebissen und voran. Dann kam ich an eine gesperrte Stelle. Die Umleitung nehmen oder doch den kurzen Weg? Ich entschied mich für den kurzen (gesperrten) Weg. Kurz vor dem Ende der Baustelle, eine Postenkette von Arbeitern. Der Polier hat mir eine Standpauke gehalten. Ich zeigte meine Einsicht und sprang anschließend über eine kleine Mauer (1 m hoch). Jetzt konnte ich meinen Weg weiter in Ruhe fortsetzen. Das Tageslicht wurde immer weniger. Ich war aber noch nicht da. Energie? Noch etwas vorhanden. Die galt es gezielt einzusetzen. Zu jeder vollen Stunde schaute ich auf meine Uhr und wusste so, ob ich den Zielort pünktlich erreiche. Gedenktafel und Holzkreuze kamen einige, aber in der Dunkelheit waren diese schlecht lesbar. Wenn ich es schaffe, dann schaue ich mir die letzten 5 km nochmal ausgeruht bei Tageslicht an. Wie gesagt, der Weg um die Mauer hat mich fest in seinem Bann gezogen. Ich finde, in der Dunkelheit kann man die Seelen der ums Leben gekommenen kleinen und großen Menschen förmlich spüren. Der Geschichte müssen wir uns immer bewusst sein. Egal auf welcher Seite der Mauer wir damals gelebt haben. Kurz vor 18:00 Uhr rief ich meinen Laufsportfreund Jörn Künstner an, ob er mich am Erika-Hess-Stadion (Ziel beim Mauerweglauf) abholen kann. Gemeinsam ging es zum Berliner Hauptbahnhof zurück. Mit der Deutschen Bahn wollte ich auch wieder nach Dresden zurückfahren. Für mich völlig unverständlich der völlig überheizte Zug, ohne jegliche Frischluft Zufuhr. Auch das konnte ich überstehen. Der Weg ist halt immer voller Steine. Es war ein schöner Tag. Ganz abschließen werde ich mit der Mauer und ihren einzelnen Schicksalen nicht. Ein Vorhaben habe ich noch. Das verrate ich aber noch nicht… 😉
Vielen Dank für den Einsatz. Das Projekt zieht sich in die Länge – aber glücklicherweise ist unser Projekt „Wolfskinder in Sachsen“ ein toller Erfolg und ist auch noch auf Wanderschaft durch Sachsen und im Februar sogar nach Litauen.
Ja, das Denkmal in der Kiefholzstraße steht für eine traurige Geschichte. Einer der Mauerschützen war Lehrer in Sachsen. Als seine „Heldentat“ zwei 10 und 13 Jahre alte Jungs zu erschießen, nach 1990 bekannt wurde, hat man ihn aus dem Schuldienst entfernt. Für die Todesschüsse gab es eine Bewährungsstrafe.